Dies ist der fünfte Teil eines kollegialen Interviews über Paartherapie. Lesen Sie zunächst den ersten Teil.

Wie schaffst Du es, in einer Therapie neutral zu bleiben?

Ich bin nicht neutral. Ich stehe immer auf der Seite der Beziehung und des Kontakts. Und stelle mich immer gegen die Boykotteure, also jene Anteile in den Klienten, die die Beziehung verhindern wollen. Das mag dann manchmal so scheinen, als ob ich mich auf die Seite eines der Beiden schlage, aber das ist – hoffe ich zumindest – nicht der Fall.

Wenn es Affären gab: wie lassen sich solche Wunden aus deiner Sicht heilen?

Ich weiß, dass Affären häufig ein riesengroßer Vertrauensbruch sind. Ich weiß aber auch, dass Affären nicht aus heiterem Himmel kommen. Sie sind nicht Auslöser einer Krise, sondern in der Regel Symptom. Es war also bereits vor dem Fremdgehen etwas nicht in Ordnung. Und somit erübrigt es sich auch, einen zum Täter, den anderen zum Opfer zu machen. In der gemeinsamen Arbeit versuchen wir vielmehr zu ergründen, was in der Beziehung gefehlt hat, was vielleicht erstarrt und unlebendig war. Wenn beide Partner auf diese konstruktive Art miteinander umgehen, kann eine Affäre wie ein Frühjahrsputz für die Beziehung sein: Altes wird hinausgekehrt und ein frischer Wind zieht ein.

Wie ist das für Dich, wenn Du permanent mit vielen Problemen konfrontiert bist: Wie schaltest Du ab?

Mir helfen vor allem Rituale – nach einer Sitzung, am Ende eines Arbeitstages. Mir hilft es, sehr klar nach meinen Bedürfnissen zu schauen, mir viel Zeit für mich zu nehmen, viel Zeit in nährenden Beziehungen zu verbringen. Und für entsprechende Auszeiten zu sorgen.

Was rätst Du Paaren, deren Beziehung noch ganz gut läuft, damit sie in vielen Jahren noch weiterhin zusammen sind?

Das wichtigste für mich ist Austausch. Und den kann es nur geben, wenn das Paar Zeit füreinander hat. Was zugegebenermaßen eine Herausforderung sein kann, wenn die Kinder noch klein sind oder wenn beide im Job engagiert sind. Mein Rat: Installieren Sie einen Pärchenabend, am besten jede Woche oder jede zweite Woche. Ein fester Abend, einige Stunden Zeit, der von den Partnern abwechselnd vorbereitet wird. Dabei muss nicht immer halligalli gemacht werden. Ein Pärchenabend kann auch mal ein Sofaabend mit Pizza vor dem Fernseher sein. Er kann aber nicht ein Abend sein, bei dem der eine noch was am Computer macht und der andere den Küchenabwasch erledigt. Das Paar soll gemeinsam ein kleines oder großes „Event“ erleben.

Und noch eine Idee, auf die mich ein Paar aus der Therapie gebracht hat: Sorgen Sie jeden Tag für ein kleines Ritual, in dem sie sich aussprechen können. Wir nannten das „auf eine Zigarette zusammenkommen“. Sie treffen sich dann am Abend, oft noch vor dem Abendessen, wenn möglich auf dem Balkon, rauchen eine Zigarette und sprechen über den Tag. Und sprechen durchaus auch Unangenehmes an. Dabei wissen sie, dass sie nur diese Zigarettenlänge Zeit haben, das sorgt dafür, dass sie sich nicht in endlosen Streitereien verheddern.

Und jetzt eine letzte Frage: Gibt es Bücher, die Du Menschen in Sachen Liebe und Beziehung empfiehlst?

Ich kann die sehr praktisch orientierten Bücher von Hans Jellouschek empfehlen, etwa „Achtsamkeit in der Partnerschaft“ oder „Wie Partnerschaft gelingt – Spielregeln der Liebe“. Wer es etwas grundlegender haben möchte und Lust an schöner Sprache hat, dem kann ich auf jeden Fall die Bücher „Die Liebe neu erfinden“ oder „Die Liebe atmen lassen“ von Wilhelm Schmid empfehlen, einem Philosophen, den ich sehr schätze und der auch schöne Werke über die Lebenskunst in allen Facetten geschrieben hat.