Wochenendväter: Wenn die Familie geht
Das Auflösen einer langjährige Beziehung ist für die meisten Menschen ein schlimmes Ereignis. Vergleichbar dem Tod eines nahen Angehörigen. Brechen Familien auseinander, beginnt für alle Beteiligten eine schwere Zeit – und jeder hat es mit ganz eigenen Aufgaben zu tun. Für Väter etwa bedeutet das Ende einer Beziehung in der Regel nicht nur die Trennung von ihrer Partnerin, sondern von ihren Kindern: Kein Kinderspielzeug mehr, das auf dem Wohnzimmertisch liegt, kein täglicher Gute-Nacht-Kuss für die Kleinen.
In vielen Fällen sehen getrennte Väter ihre Kinder jedes zweite Wochenende und wenn sie Glück haben, noch an einem Nachmittag unter der Woche.
So ist für Väter die Trennung ein gewaltiger Einschnitt, der verbunden ist mit Gefühlen von Ohnmacht, Versagen und Wut. Wochenendväter werden neue Rollen für sich finden müssen:
… als Vater, der in der Regel nicht mehr den Alltag mit seinen Kindern teilt.
… als Partner und Ex-Partner, der für seine Interessen einstehen muss und der kämpfen muss, obwohl er häufig die schlechteren Ausgangsbedingungen hat.
… als Mann, der wieder Single ist.
Für sie beginnt ein neues Leben. Das heißt: Abschied nehmen, sich neu orientieren und mit Mut einen neuen Weg beschreiten.
Fragen und Sorgen von Wochenendvätern
Diese neuen Rollen zu finden, sie auszufüllen und mit Leben zu füllen, ist ein höchst individueller Prozess. Er hängt ab von Vorerfahrungen, von Rollenmodellen, Weltanschauung und persönlichen Werten. Auch davon, ob der Vater sich aktiv getrennt hat oder „getrennt wurde“ und vom Verhältnis der Eltern nach ihrer Trennung.
In der psychotherapeutischen Arbeit merke ich, wie Klienten von meinen eigenen Erfahrungen als Wochenendvater profitieren können. Gerade am Beginn einer Trennung fragen sie häufig nach meiner persönlichen Geschichte und meinen eigenen Erlebnissen. Mein Eindruck ist, sie finden darin Bewältigungsstrategien, von denen sie profitieren.
Meine ganz persönliche Geschichte
Ein Gespräch mit einem Wochenendvater
Wie lange hast du gebraucht, bis du über die Trennung drüber weg warst?
Mein Scheidungsanwalt meinte, zum „drüber weg kommen“ benötige man die Zeit in Monaten, die die Beziehung in Jahren dauerte. Also sieben Jahre Beziehung bedeutet, sieben Monate, um die Trennung zu verkraften.
Diese Regel ist natürlich Quatsch. Man braucht so lange, wie man braucht. An das Leben als Single gewöhnte ich mich recht schnell, das Leben als Wochenendpapa war mir nach vielleicht einem oder anderthalb Jahren vertraut. Doch seltsamerweise erst vor kurzem, mit dem 18. Geburtstag meiner Kinder, ist etwas rund geworden, hat sich eine Gestalt geschlossen, für die mir noch die genauen Worte fehlen. Ich glaube, nachdem meine Kinder nun ganz offiziell für sich allein verantwortlich sind, konnte ich eine gewichtige Verbindung zu deren Mutter lösen.
Meine Frau und ich werden uns trennen. Wann sagen wir es unseren Kindern?
Wir haben es unseren Kindern erst sehr spät gesagt – kurz vor meinem Auszug. Ich habe nun einige Klienten begleitet, die ihre Kinder ganz aktiv auch in die Wohnungssuche, das Renovieren oder den Kauf der Möbel einbezogen haben. Es hängt sicherlich vom Alter ab, aber älteren Kindern scheint es gut zu tun, aktiv werden zu können. Schließlich baust du ja nicht nur dein eigenes Zuhause auf, sondern auch die zweite Heimat deiner Kinder.
Ich werde meine Kinder künftig jedes zweite Wochenende sehen. Was hast du an den Wochenenden denn mit ihnen so gemacht?
Die Jungs waren dreieinhalb Jahre alt, als ich meine eigene Wohnung bezogen habe. Sie lag mitten in der Fußgängerzone der Stadt; ich hatte einen Gegenentwurf zum Familienidyll der Vorstadt gesucht. Schnell haben sich gewisse Routinen entwickelt: Freitags abends etwa, nach dem Heimkommen, machten wir Station im Fischladen, der im selben Haus unter meiner Wohnung lag. Dort plauderten wir mit den Ladeninhabern und holten Sachen fürs Abendessen. Samstags vormittags häufig der Besuch in der Stadtbibliothek, nachmittags im Park oder auf dem Bolzplatz, sonntags morgens die Sendung mit der Maus. Und dazwischen – dem Alter der Kinder geschuldet – sehr viel Spielen mit Playmobil und Lego sowie häufige Besuche bei der Oma.
Je älter sie wurden, desto häufiger stand ich auch am Rand des Fußballplatzes bei Vereinsspielen oder saß mit ihnen am Tisch über den Hausaufgaben. Denn das Alltagsleben der Kinder geht auch an den Papawochenenden weiter.
Anfangs besuchte ich übrigens noch meine Freunde. Das hat sich aber als schwierig herausgestellt, weil ich das Gefühl hatte, zwischen den Stühlen zu sitzen: Die Jungs wollten Zeit mit mir verbringen, ich wollte aber auch den Freunden gerecht werden. Also ließ ich es sein und genoss die Wochenenden allein mit den Kindern. Irgendwann lernte ich andere Wochenendpapas und vor allem Alleinerziehende kennen mit Kindern in ähnlichem Alter. Diese Treffen waren dann für uns alle schön.
Was haben die Kinder von dir erwartet?
Ich glaube, Scheidungskinder erwarten erst mal das gleiche wie andere Kinder auch: Nämlich geliebt und ernst genommen zu werden; und sie brauchen ein authentisches Gegenüber. Vielleicht sind diese Bedürfnisse bei ihnen stärker ausgeprägt. Meine Erfahrung ist, dass sie wirklich wissen wollen, wer ihr Vater ist, was er so macht, welche Vorlieben und Schwächen er hat. Eine Zeitlang haben sie mich immer wieder auch auf meiner Arbeitsstelle besucht. Was mich gefreut hat, weil ich ja so stolz auf die beiden bin. Sie wollten Teil meines Lebens sein, was durch die Kürze der Zeit nicht einfach zu realisieren war.
Wie hat sich der Kontakt zu deinen Kindern verändert?
Interessanterweise habe ich die Erinnerung, dass der Kontakt stärker, intensiver wurde. Als wir noch zusammenwohnten, kam ich abends so spät von der Arbeit, dass ich kaum etwas von ihnen hatte. Und die Wochenenden waren ausgefüllt mit wichtiger anderer Arbeit – am Haus, die Steuer, irgendwas ist ja immer. Nach der Trennung war die Zeit mit den Jungs dagegen etwas sehr Kostbares, das ich in vollen Zügen genießen wollte.
Die Kinder fehlen mir so schrecklich. Was kann ich tun?
Da kann ich zwei Antworten darauf geben. Zunächst die alltagspraktische: Neue Medien wie Facebook, WhatsApp oder Skype ermöglichen es, auch über Distanz Kontakt zu halten. Meinen Kindern habe ich recht früh Handys geschenkt, um ungestört mit ihnen zu telefonieren. Ihr Bilder hingen an der Wand im Wohnzimmer, waren der Hintergrund meines Rechner-Desktops. Das alles macht es erträglicher, sie so lange nicht zu sehen.
Und nun die zweite Antwort: Ja, sie fehlen manchmal so schlimm, dass einem das Herz zerreißen will. Für mich waren vor allem die Sonntagabende schrecklich mit Tränen des Abschieds, dem Aufbäumen gegen die Trennung. Der Horror-Moment, in die leere, einsame Wohnung zurückzukehren, nachdem ich die Jungs zurückgebracht habe. Das Spielzeug lag noch im Wohnzimmer, ich hatte ihre Stimmen im Kopf, ihre lachenden Gesichter vor Augen. Eine Zeitlang verabredete ich mich für Sonntagabend oder ging in meine Lieblingskneipe oder fuhr gleich zum Joggen. Aktivität lindert den Herzschmerz, doch nichts kann ihn ungeschehen machen.
Ich lernte also, die Situation zu akzeptieren. Und mit Situation meine ich vor allem Begrenzung: Heute sind die Beiden erwachsen. Und ich muss akzeptieren, dass ich nicht das Familienleben hatte, das ich mir einst vorstellte. Dass ich meine Kinder immer nur ausschnittsweise sah, ihre alltäglichen Sorgen und Nöte, Freuden und Albereien nicht erleben durfte. Meine Zeit mit den Kindern war begrenzt. Es war eine harte Lektion für mich.
Andererseits ist unsere Zeit und unser Tun immer begrenzt. Ich vergleiche es mit einem Spielfeld. Mein Spielfeld hat andere Grenzen als deines, an denen können wir nicht viel verändern. In unsere Hand liegt es jedoch, ob wir das gesamte uns zur Verfügung stehende Feld bespielen, oder freiwillig nur eine kleine Ecke nutzen. Ich hatte nur die zwei Wochenenden monatlich. Und die habe ich so genutzt, wie es mir möglich war.
Aber ohne meine Kinder fühle ich mich, als hätte ich den Zugang zum Leben verloren.
Ich erinnere mich an einen Spruch, der auf der Kühlschranktür meiner Mutter klebt. Der lautet: „Kinder sind nur Gäste, die nach dem Weg fragen.“ Was macht dein Leben sonst noch lebenswert? Welchen Sinn gibst du deinem Leben? Was gibst du der Gemeinschaft zurück? Und überforderst du deine Kinder nicht mit dieser Aufgabe, dir den Zugang zum Leben zu schaffen?
Ich habe das Gefühl, mit der Trennung auch gegenüber meinen Kindern versagt zu haben.
Ich glaube, für Kinder ist es das Beste, mit zwei Bezugspersonen und am besten noch Großeltern ums Eck und genügend anderen Kindern drumherum aufzuwachsen. Durch unsere Köpfe spuken diese idealen Bilder, und sie werden in Büchern, Filmen, Fernsehwerbung so vermittelt. Mit der Realität hatten sie wahrscheinlich noch nie viel gemein.
Sicher wolltest du etwas anderes für deine Kinder, du bist mit einem bestimmten Anspruch ins Projekt Familie gestartet. So gesehen hast du dein Ziel nicht erreicht. Aber bist du deshalb ein Versager? Dir ist etwas nicht gelungen, okay. Vielleicht findest du deinen Anteil daran, und kannst anderen Menschen den ihren lassen. Und du kannst dein Spielfeld wieder in Besitz nehmen. Um dir und deinen Kindern eine gute Zeit zu machen.
Info
Einige Sorgen und Fragen tauchen in der Arbeit mit Wochenendvätern immer wieder auf. Im nebenstehenden Gespräch skizziere sie zusammen mit meinen eigenen, ganz persönlichen Erfahrungen.
So war’s
Unsere beiden Söhne waren knapp drei Jahre alt, als meine damalige Frau sich von mir trennte. Zu diesem Zeitpunkt sah ich die Zukunft als bedrohliches Schwarzes Loch: Wie sollte ein Leben als geschiedener Papa funktionieren? Ich kannte keine getrennt lebenden Väter, hatte kein Rollenmodell.
Meine größte Angst damals (und sie blieb für etliche Jahre mein Begleiter) war: Wollen die beiden Jungs weiterhin zu mir kommen? War ich ihnen wichtig genug, damit sie dem wiederkehrenden Leid des Auseinandergehens Stand halten können?
Die Trennung ist jetzt weit über 15 Jahre her. Nach wie vor sehe ich meine Kinder regelmäßig und mir scheint unsere Beziehung tragfähig und – trotz der Distanz – eng zu sein.