Wenn es in Beziehungen schlechter läuft, leidet auch die Art und Weise, wie die beiden Partner miteinander sprechen. Der Ton wird rauer, weniger wertschätzend und sie begegnen sich zunehmend mit einem „negativen“ Vorurteil, deuten Äußerungen, Witzchen und Blicke eher als abschätzig denn als wohlwollend.

So erging es auch einem Paar, das vor einiger Zeit bei mir war, nennen wir sie Anna und Wolfgang*. Sie waren auf seine Initiative hin gekommen, nachdem er für einige Sitzungen allein bei mir war. Er war einfach fertig, er schlief schlecht und fühlte sich in der Beziehung wie ein Looser. Ständig kritisiere ihn seine Frau, nie mache er etwas richtig – so lautete sein Resümee. Er wisse nicht mehr aus noch ein. Dabei liebe er doch seine Frau und seine Familie. Doch so gehe es für ihn auch nicht mehr weiter.

In den Sitzungen mit beiden zusammen wiederholt sich diese Szenerie: Sie kritisiert tatsächlich viel, und sie spart auch nicht mit Vorwürfen. Es gebe wenig, was er in ihren Augen richtig macht: er kümmere sich zu wenig um das gemeinsame Kind, tue zu wenig im Haushalt (und wenn, dann das falsche), und liebevoll zu ihr sei er auch nicht mehr.

Und er? Sitzt da wie ein Schulbub in der Ecke, der eine Schimpftirade seiner Mama über sich ergehen lässt.

Bei beiden sehe ich aber auch die Not: Sie hat den Eindruck, die Verantwortung für die Familie und die Arbeit allein schultern zu müssen; ihr fehlt ein Partner, der sie unterstützt und an dem sie sich orientieren kann. Und er fühlt sich ungenügend. Weil er weniger Erfahrung hatte, gingen die zaghaften Versuche, eigenständig Arbeiten im Haushalt zu übernehmen, gründlich schief – zumindest aus Sicht seiner Frau. Und verbal hält er ihren Vorhaltungen und den scheinbar besseren Argumenten nicht Stand. So zieht er sich immer mehr zurück, gibt klein bei und wird immer unscheinbarer. Was wiederum ihre Not verstärkt. Ein Teufelskreis.

Die Dynamik entsteht immer im Paar – also zwischen den Beiden

Glücklicherweise bewiesen beide in der gemeinsamen Arbeit langen Atem. So war es uns möglich, die Dynamik dieser immergleichen Interaktionen zu erkennen. Was ursprünglich das Problem des jeweils anderen war, wurde somit zum gemeinsamen Problem. Sie erkannten: Je mehr Anna kritisiert, desto weiter zieht sich Wolfgang zurück. Je weniger Wolfgang ein eigenständiges Gegenüber bietet, desto unzufriedener wird Anna. Erst wenn im besten Fall beide diesen Teufelskreis unterbrechen, stoppen sie auch die gemeinsam kreierte Dynamik.

Das erfordert einen langen Atem, Abstraktionsvermögen und – in diesem Fall – auch eine intensive Beschäftigung mit sich selbst: Was veranlasst Wolfgang, sich nicht zu wehren, in diese unselbstständige Position zu rutschen und nicht klarer für sich einzustehen? Und welche Muster greifen bei Anna, dass sie die Verantwortung übernimmt, die bemutternde Rolle einnimmt und ihrem Partner wenig Spielraum für andere Lösungen in Haushalt und bei der Kindererziehung lässt?

Beiden ist klar geworden, dass eine Beziehung wie ein Tanz ist, zu dem es zwei braucht mit unterschiedlichen Stärken und unterschiedlichen Aufgaben. Und beide sind es, die die Beziehung gelingen lassen. Und beide sind es auch, die eine Beziehung scheitern lassen. Die Verantwortung ist in aller Regel gleichverteilt. Tangotanzen kann man eben nur zu zweit.

* natürlich sind diese Namen und auch diese Fälle nicht authentisch. Sie sind konstruiert aus mehreren Klienten und Paaren zusammengesetzt. Denn schließlich ist meine Arbeit mit meinen Klienten ein durch Diskretion und Schweigepflicht geschützter Raum.

(Foto: „Tango y milonga“ by L.A.Shooter is licensed under CC BY-ND 2.0)