Wir alle kennen dieses Phänomen: Manchmal ist das Zusammensein mit Menschen schön, nährend, Energie spenden, manchmal (in anderen Situationen, mit anderen Leuten) ist es zäh, langweilig und ermüdend.
Das kann daran liegen, wir wir mit diesen Menschen zusammen sind, mit welcher Qualität wir uns mit ihnen austauschen – kurz: in welcher Weise wir in Kontakt mit ihnen sind. Für mich als Gestalttherapeut ist Kontakt von zentraler Bedeutung für ein gutes Leben. Doch was verstehe ich unter Kontakt genau? Mit was kann ich wann, wie und auf welche Weise in Kontakt sein?
Was heißt das: in Kontakt sein?
Kontakt ist viel mehr als körperliche Berührung, dennoch ist Kontakt zunächst sinnlich erfahrbar. Im Kontakt verbinde ich mich – mittels meiner Sinne – mit meiner Umwelt (und eigentlich auch mit mir, aber dazu später). Sinnlich, also beispielsweise sehend, hörend, riechend oder fühlend erfahre ich meine Umwelt. Um mit ihr in Kontakt zu sein, fokussiere ich zudem meine Aufmerksamkeit. Wenn ich jemandem etwa intensiv zuhöre, lenke ich meine Wahrnehmung auf das gesprochene Wort. Der auditive Sinn steht für mich also im Vordergrund, Fühlen, Sehen und die anderen Sinne treten in den Hintergrund meines Gewahrseins.
Womit kann ich in Kontakt sein?
Einfach gesprochen mit allem, was ich über meine Sinne erfahren kann, zu denen ich nicht nur die fünf oder sechs klassischen Sinne zähle (Sehen, Hören, Fühlen, Schmecken, Riechen und das Gleichgewicht), sondern auch die Sinne, die nach innen gerichtet sind, den viszeralen Sinn oder die Propriozeption etwa (mehr über unsere derzeit zehn gezählten Sinne). Womöglich kann ich sogar mit Ideen in Kontakt sein oder mit Transzendenzen, schreibt der Philosoph Wilhelm Schmid: „Berührt werden Menschen auch vom Anblick eines Gesichts, vom Hören einer Stimme, vom Geruch, der in der Luft liegt, vom Geschmack einer Speise, berührt auch durch Bewegung und erst recht durch alles, was zu spüren ist, mit einem Gespür, das nicht so einfach zuzuordnen ist und dessen Existenz doch unbestreitbar ist.“
So kann ich also nicht nur mit der äußeren Welt in Kontakt sein, sondern auch mit mir selbst, etwa mit meinem Körper und dessen Verspannungen und Zipperlein. Und mehr noch: Ich kann auch in Kontakt sein mit meiner inneren Welt, mit meinen Erinnerungen und meinen Gefühlen.
Wenn ich mit anderen zusammen bin: „Ich–Du“ oder „Ich–Es“?
Wie ist es nun, wenn ich meine Zeit mit einem anderen Menschen verbringen. Wie trete ich (also etwas allgemeiner gesprochen) in Kontakt mit anderen? Für den Religionsphilosophen Martin Buber gibt es zwei Modi, mit anderen in Kontakt zu treten, die als „Ich-du“ und „Ich-Es“ beschrieben hat.
Am Beispiel: Kaufe ich in der Bäckerei ein Brot, begegnet mir die Bäckersfrau vor allem in ihrer Funktion der Verkäuferin. Ich gebe ihr Geld, sie gibt mir Brot. Im Buberschen Sinn wäre das ein „Ich-Es“-Kontakt. Die Bäckersfrau als Person , was sie erlebt hat, wie es ihr geht, ist mir egal; ich bin auf ihre Funktion gerichtet, mir das Brot zu verkaufen.
In Polit-Talkshows im Fernsehen ist dieser Kontakt-Modus ebenfalls zu beobachten: Die Kontrahenten sind nicht an der Person des jeweils anderen interessiert, sondern lediglich an dessen Argumenten. Und auch das nicht, um diese Argumente zu prüfen oder abzuwägen, sondern lediglich um sie mit eigenen, vermeintlich besseren Gegenargumenten zu kontern und damit ihr eigenes Profil zu schärfen.
Im Gegensatz dazu interessiere ich mich in einem „Ich-Du“-Kontakt für die ganze Person des Anderen. Small-Talk übers Wetter kommt dabei nur am Rande vor, im Zentrum steht das Sprechen über mich: meine Eindrücke, meine Gedanken, meine Stimmung, meine Gefühle; und das Sprechen über den anderen in gleicher Weise.
Eine Frage der Haltung
Dabei begegne ich ihm in einer offenen und vorbehaltlosen, vielleicht auch arglosen Haltung: Ich komme ohne Vorurteile, nehme wahr ohne Bewertung oder Beurteilung, agiere ohne spezielles Ziel und bin wohlwollend-neugierig. Ich bringe die Bereitschaft mit, mich zu zeigen, dem anderen pur zu begegnen, ohne Maske oder Rolle. Und ich möchte mich berühren lassen vom Anderen und das heißt: mich von ihm beeinflussen zu lassen. In einem solchen Kontakt respektiere ich den Anderen in seiner Autonomie, in seinen Grenzen, seiner Einzigartigkeit und seiner Würde.
Solcher Kontakt hat viel mit Achtsamkeit zu tun, was am Beispiel Sexualität schön illustriert werden kann: Achtsamer Sex ist immer ein Tanz, der sich im Zwischen von zwei Körpern und Seelen entfaltet, die neugierig sind und sich öffnen. Kommt einer jedoch mit einer bestimmten Vorstellung und einem „Plan“ daher, wie die sexuelle Begegnung abzulaufen hat, funktionalisiert er den anderen zu einer Art Bedürfniserfüller. Mit Buber gesprochen wechselt er von einem „Ich-Du“- zu einem „Ich-Es“-Kontakt.
Und beides ist okay, solange beide sich darauf verständigen, in welchem Modus sie miteinander zusammen sein möchten.