Toxische Menschen tun uns nicht gut. Sie verwickeln uns in Streitereien, sie verwirren uns und zapfen Energie und Lebensfreude ab. Und sie sind verdammt gut im Manipulieren anderer. Kürzlich las ich eher zufällig einen Blogpost über solche toxischen Menschen. Und ich erinnerte mich sofort an zahlreiche Ereignisse und Begegnungen in meinem privaten Umfeld sowie an Berichten von Klienten. Ja, scheinbar gibt es solche Menschen, und es scheint schwierig zu sein, gut mit ihnen auszukommen. Doch es gibt Strategien, sich zu behaupten.

Doch zunächst: Was verstehe ich unter toxischen Menschen? Es sind Menschen mit toxischen Interaktionsmustern. In gewisser Weise beuten sie ihre Umwelt aus und entfalten ihre volle ungute Wirkung vor allem im nahen sozialen Umfeld, beim Partner, bei Freunden, Kindern und Kollegen).

Warum handeln sie so? Meine Erklärung ist, dass sie zutiefst selbstunsicher sind und es nicht schaffen, gut für sich selbst zu sorgen – also konstruktiv ihre Bedürfnisse zu befriedigen, Grenzen zu ziehen, klar in der Welt da zu sein. Im Originalpost ist von „Narzisten, Soziopathen und Psychotpathen“ die Rede – von solchen Zuschreibungen und pathologisierenden Begrifflichkeiten halte ich jedoch nichts. Ich erinnere mich vielmehr an eine Beschreibung von Fritz Perls, dem Begründer der Gestalttherapie. Er schrieb in den 1950ern über einen solchen Menschen: „Anstatt seine eigenen Kräfte zu mobilisieren, schafft er Abhängigkeiten. Er steckt seine Energie in die Manipulation der Umgebung, um Unterstützung zu bekommen.“ Und weiter: „Er muss ganz schön schlau sein, um zu überleben, denn ihm geht in der Tat in fühlbarem Ausmass eine der essentiellen Eigenschaften ab, die das Überleben fördern – die Selbständigkeit.“ Demnach sind toxische Menschen also nicht fähig, als selbst-bewusste und selbst-verantwortliche Erwachsene zu agieren.

Auch wenn es so klingen mag: Ich glaube nicht, dass toxische Menschen bösartig sind und bewusst so handeln. Vielmehr benutzen sie Strategien, die aus der Not geboren, die im Laufe des Lebens erlernt wurden und sich mit der Zeit verfestigt haben. Sie handeln nach dem Motto „mehr desselben„, denn auch wenn sie ihre Umwelt manipulieren, bekommen sie ihre eigentlichen Bedürfnisse nach Kontakt und Selbstständigkeit nicht befriedigt. Deshalb drehen sie dieses Spiel immer weiter.

Wie sehen Strategien toxischer Menschen aus?

Alternative Fakten

Toxische Menschen stellen die Wahrnehmung anderer über einen langen Zeitraum hinweg in Frage. Sie  bauen ihre eigene Realität auf und diskreditieren systematisch die Weltsicht und die Erinnerung anderer. Sie tun das, indem sie ihre Version der Wirklichkeit vehement und mitunter lautstark durchboxen. Ein Phänomen, das unter dem Begriff Gaslighting bekannt ist. So behaupten sie, der andere hätte etwas getan oder gesagt oder sie bestreiten, dass ein Ereignis tatsächlich stattgefunden hat. Konfrontiert man sie mit „Beweisen“, bedienen sie sich anderer Manipulationstechniken, etwa der Ablenkung, oder sie ziehen sich in eine Opferposition zurück.

Das Opfer

Toxische Menschen sind selten verantwortlich. Sie fühlen sich vom Leben generell benachteiligt oder passiv hin und her geschoben. In ihrer Welt sind sie häufig das Opfer, die anderen Täter. So sind sie auch nicht für die Eskalation von Streitereien verantwortlich, andere haben sie durch ihr Verhalten dazu gezwungen. Gern benutzte Wortwahl: „Ich musste ja so reagieren, weil du …“. Selbst wenn sie aggressiv handeln, tun sie es nur in einer Art „Vorwärtsverteidigung“, weil der andere angefangen hat.

Projektion

Damit einher gehen Projektionen. Gemeint ist, dass eigene, ungeliebte oder verbotene Eigenschaften auf andere übertragen werden. Am Beispiel: Ich bin in einer Ehe nicht glücklich, fühle mich aber an mein Gelöbnis gebunden. Dennoch schaue ich nach anderen Frauen, träume vielleicht sogar von einem Seitensprung; werfe meiner Partnerin aber vor, untreu zu sein und lieber mit anderen Männern zusammensein zu wollen. Eine Projektion liegt nur dann vor, wenn ich diese Behauptung nicht strategisch vorbringe, um von meiner Absicht abzulenken, sondern wenn mir mein eigentliches Bedürfnis nicht klar ist. Nochmal Perls: Wenn jemand projiziert, hat er „die Tendenz, nicht nur seine Impulse zu verleugnen, sondern auch die Teile von sich, in denen die Impulse entstehen“.

Unsinnige Gespräche aus der Hölle

Eine Diskussion oder ein Gespräch ist mit toxische Menschen selten befriedigend zu führen. Denn einen Fehler werden sie nur selten zugeben. Und Kompromisse schließen sie nicht. Schließlich müssten sie sich zuvor eine bestimmte Meinung bilden, anschließend müssten sie auf den anderen zugehen (was für sie schwierig ist, weil sie ja – siehe oben – sich sowieso zu kurz gekommen fühlen) und dann müssten sie sich auch noch auf ein Ergebnis festlegen.

Bevor es soweit ist, werfen sie mit Nebelkerzen, indem sie irgendwelche anderen Vorwürfe auspacken und sie in den Ring werfen. Oder sie hüpfen zu anderen Themen; gern drehen sie einem auch das Wort im Mund herum. Und wenn alles nichts nützt, wechseln sie auf eine grundsätzliche und damit bedeutungsschwangere Ebene. Bietet auch diese Strategie keine Rettung, werden sie ausfällig oder ziehen sich zutiefst gekränkt aus dem Kontakt. Es scheint, dass sie mitunter blind wie ein in die Enge getriebenes Tier um sich schlagen.

Sarkasmus

Toxische Menschen sind häufig ironisch und bedienen sich eines höhnischen, verächtlichen Tons. Damit diskreditieren sie Leistungen oder Eigenschaften anderer und stellen sich über sie. Mitunter verpacken sie verbale Attacken auch in eine vermeintlich witzige Hülle. Die Crux: Geht der andere auf die Attacke ein, wird er als humorlos abgestempelt („verstehst du jetzt keinen Witz mehr?“). Überhört er die Attacke, verliert er seine Integrität.

Wie schütze ich mich?

Die Strategien toxischer Menschen wirken vor allem im engen Umfeld zerstörerisch: Sie boykottieren Nähe, Herzlichkeit und Offenheit – und sie greifen massiv den Selbstwert anderer an. Es ist wichtig, sich diese Folgen immer wieder vor Augen zu halten, sich der eigenen Integrität bewusst zu sein und sich gut in sich verankern.

Dazu gehört es, sich ein gutes und stabiles Netzwerk anderer vertrauter Menschen aufzubauen. In Gesprächen lässt sich der innere Kompass wieder „ein-norden“ Die Rückmeldungen anderer tun gut. Und generell ist es sinnvoll, ganz klar seine eigenen Bedürfnissen zu spüren und für sie einzustehen.

Außerdem können diese Abwehrstrategie sinnvoll sein:

Es hilft, sich über wichtige Situationen Notizen zu machen oder bestimmte Absprachen schriftlich zu fixieren. Wird die Realität vom anderen verzerrt, lässt sich darauf zurückgreifen.

Natürlich wird der „Toxiker“ dann sofort mit einem anderen Aspekt kommen, deshalb lohnt es sich, in Diskussionen oder bei Vorwürfen sehr klar und bestimmt zu bleiben, etwa mit Fragen wie: „Um was geht es dir genau?“, „Und welche Frage hast du an mich?“, „Was brauchst du von mir, was kann ich genau tun?“ oder „Was meinst du damit?“ Mitunter müssen diese Fragen gebetsmühlenartig wiederholt werden. Es hilft aber, sich nicht im Nebel des Gesprächs zu verlaufen und beugt der Eskalation eines beginnenden Streits vor.

Ebenso klar müssen eigene Grenzen aufgezogen und gehalten werden. Gegen eine höhnische Bemerkung hilft ein klares „Ich möchte nicht, dass du so über mich sprichst“ oder ein „Hör auf damit!“ Wichtig: Sich nachträglich auf keine Diskussion darüber einlassen! Wenn ich etwas nicht will, muss ich es nicht begründen! Ebenso klar darf ich mich nicht zum Täter machen lassen. Auch dabei hilft ein klares „Das ist nicht meine Verantwortung“.

Aber glauben Sie nicht, dass toxische Menschen sich schnell ändern, Sie werden bestimmt einen langen Atem brauchen.