Menschliche Kommunikation ist kompliziert. Miteinander reden ist nicht wie Mathematik, in der es Gleichungen mit einer Unbekannten und ein-eindeutige Lösungen gibt.
Wenn zwei Menschen miteinander sprechen, dann ist das ein oft verwirrendes und wenig klares Geschäft, bei dem es zu haufenweisen Missverständnissen kommt. Wenn die beiden sich wohlgesonnen sind, spielen solche Missverständnisse keine große Rolle, denn beide gehen wohlwollend mit dem anderen um. Da werden verunglückte Scherze schnell vergessen und ironische Bemerkungen witzig genommen und weggelacht.
Anders, wenn die beiden Gesprächspartner sich nicht grün sind: Dann wird aus Wohlwollen schnell Misstrauen, wird jeder schräge Satz als Angriff gedeutet.
Aber können wir nicht ohne Missverständnisse miteinander reden?
Nein. Das liegt daran, dass menschliche Sprache eben mehrdeutig ist – und menschliches Hören ebenso. Um es mit einem abgewandelten Satz von Paul Watzlawick zu sagen: Man kann nicht nicht interpretieren. Egal, was wir sehen oder hören – unsere Interpretation der Welt schwingt mit. Nebenbei bemerkt: Wie es sich liest, wenn Sprache wirklich sehr eindeutig gefasst wird, lässt sich an komplizierten Vertrags- oder Gesetztestexten ablesen (und selbst die werden vor Gericht noch ausgelegt und interpretiert).
Sagt Person A etwas, hört Person B zwar die Worte und Sätze, interpretiert sie jedoch unbewusst und versteht womöglich deshalb etwas anderes. Zumal Person A beim Sprechen der Sätze ja bereits die eigenen Gedanken auf reduktionistische Art in Sätze gepackt und damit seine eigentlicheIntention vor-gedeutet hat.
Friedmann Schulz von Thun hat dieses Phänomen schon vor vielen Jahren in sein anschauliches 4-Ohren-Modell gepackt. In diesem Modell kann ich alles, was ich höre, mit einem von vier unterschiedlichen Ohren hören. Jede Aussage hat also vier unterschiedliche Ebenen. Genauso sage ich natürlich alles auch auf diesen vier unterschiedlichen Ebenen (was ich häufig unbewusst mit unterschiedlicher Modulation oder Lautstärke unterstreiche).
Diese vier Ebene sind:
- Die Sachebene: Sie bezieht sich ausschließlich auf die Sache, auf Fakten und Informationen.
- Die Appellebene: Sie bezieht sich auf die Wirkung, die der Sprecher auslösen möchte, die transportiert einen Wunsch, ein Anliegen oder gar einen Befehl – mal deutlich, mal versteckt.
- Die Selbstoffenbarungs-Ebene: Dieser Aspekt bezieht sich auf den Sprecher. Was gibt der Sprecher von sich selbst preis, welche (versteckte) Ich-Botschaft sendet er?
- Und die Beziehungsebene: Auf ihr wird die Beziehung zwischen Sprecher und Zuhörer deutlich. Was hält der Sprecher vom Hörer, und was glaubt der Hörer, was der Sprecher von ihm hält.
Am Beispiel: Ein Paar im Auto vor der Ampel, die Frau sitzt am Steuer, und der Mann sagt: „Du, die Ampel ist grün!“ Die Frau antwortet eingeschnappt: „Fährst du oder fahre ich?“ Auf welchem Ohr hat sie wohl die Aussage ihres Manns gehört? Womöglich auf dem Beziehungsohr. Und was hat das Beziehungsohr dabei gehört (was also hat die Frau in die Aussage interpretiert)? Etwa den Satz „Ich sage doch immer, dass du nicht gut Autofahren kannst. Immer muss ich dir helfen.“
Egal, wie die Aussage gemeint war (den Tonfall und auch die gemeinsame Geschichte dieses Paares kennen wir ja nicht): Wir alle haben grundsätzlich die Wahl, wie wir unsere Gesprächspartner interpretieren. Die Frau im hätte ihren Mann auch mit Sach- und Appellohr hören können – als Hinweis darauf, dass die Ampel umgeschaltet hat und als Aufforderung, loszufahren. So hätte sie nicht schnippisch reagiert und hätte damit auch keine Vorlage für einen Streit geliefert.
Wichtig also ist: Keine Aussage ist frei von Interpretation. Und nicht immer versteht der andere das, was wir meinen. Beim nächsten Disput also lieber mal eine Schleife ins Gespräch einbauen, dem anderen mitteilen, was wir verstanden haben und checken, ob das auch so gemeint war.