Dies ist der vierte Teil eines kollegialen Interviews über Paartherapie. Lesen Sie zunächst den ersten Teil.

Angenommen, die Liebe ist vergangen und ein Paar erlebt im Alltag, dass es sich nichts mehr zu sagen hat: Lässt sich Liebe wieder herstellen, gar lernen? Machst Du die Erfahrung, dass die Beziehung durch eine Therapie nicht künstlich wird?

Eine heikle Frage. Was heißt eigentlich Liebe? Wenn wir durch die Jahrhunderte und durch unterschiedliche Kulturen schauen, merken wir, dass Menschen unter diesem Begriff immer wieder etwas anderes verstehen. Heute hängen wir sehr dem romantischen Ideal der Liebe nach. Große Gefühle, Liebe auf den ersten Blick, Überschwang. Doch damit stoßen wir unweigerlich an Grenzen. Denn das ist nur ein Konzept von Liebe. Viele glauben an die Liebe aus Hollywood: Da müssen sich nur die zwei Richtigen treffen und gut ist. Doch Beziehung beginnt genau dann, wenn die meisten Schnulzenfilme aufhören.

Ich denke auch, dass die meisten von uns eigentlich gar nicht gelernt haben, wie Beziehungen zu gestalten sind, was es heißt, in Beziehung mit einem Menschen zu sein; welche Möglichkeiten wir haben, welche Fallstricke lauern. Liebe ist ja eigentlich auch kein Gefühl, sondern eher eine besondere Qualität einer Beziehung. Im Englischen heißt es „I’m in love with you“ – ich bin in Liebe mit dir. Und dieses Gemeinsame muss gepflegt und umsorgt werden. Insofern, ja: Ich glaube schon, dass man Liebe lernen kann, ohne dass sie „künstlich“ wird. Aber natürlich nicht in jedem Fall. Liebe lässt sich nicht erzwingen, da ist die Seele unbestechlich.

Wann sprichst Du von einem Erfolg in der Paartherapie? Manchen Paaren könnte es ja auch gut tun, nicht mehr zusammen zu sein. Was kann eine Therapie dann nützen?

Erfolg ist dann für mich gegeben, wenn die beiden Menschen bei mir die Therapie beenden mit einer klaren Entscheidung; mit dem sicheren Gefühl zu wissen, richtig gehandelt zu haben. Erfolg heißt also nicht, dass sie als Paar wieder funktionieren. Vielleicht wird ihnen auch klar, dass eine Trennung das beste für sie ist.

Vielleicht sind manche Menschen nicht für eine lebenslange Beziehung gemacht? Gibt es so etwas? Und was würdest diesen Menschen raten?

Ich glaube, dass Menschen Beziehungswesen sind; dass wir Beziehungen in allen Formen brauchen. Das wichtigste Grundbedürfnis ist das Bedürfnis nach Bindung und Kontakt. Dazu gehört auch Intimität. Im intimen Zusammensein mit einem Partner werden wir angenommen, so wie wir sind. Und das wiederum nährt unsere Seele.

Es mag sein, dass es vereinzelt Menschen gibt, die wirklich nicht in Beziehung leben müssen. Ich glaube, die tun es dann auch nicht und fühlen sich wohl dabei. Und dann ist das ja prima. Wer jedoch leidet, der sollte genauer hinschauen. Häufig schleppen wir nämlich Ballast aus alten dysfunktionalen Beziehungen, etwa zu unseren Eltern oder frühen Freunden, mit uns herum. Und dagegen kann man was tun.

Fortsetzung folgt …