Ob eine Beziehung von Dauer ist, scheint zu Beginn noch in den Sternen zu stehen. Doch es gibt Anzeichen für das Bröckeln der Verbindlichkeiten, die jeder auch in seiner eigenen Beziehung feststellen kann. Der US-amerikanische Psychologe John Gottmann hat sie in aufwendigen Studien entdeckt. Dazu lud er Hunderte Paare in sein Paarlabor ein, in dem sie einige Zeit lebten. Dabei wurden sie beobachtet, gefilmt und aufgenommen. Auf Grundlage des Kommunikationsverhaltens, der Streitkultur und von Mikroausdrücken kann Gottman, so behauptet er jedenfalls, mit einer Wahrscheinlichkeit von über 80 Prozent vorhersagen, ob Partnerschaften innerhalb der kommenden Jahre bestehen bleiben oder nicht.

Gift für Beziehungen sind vor allem vier Verhaltensweisen, die Gottman die vier apokalyptischen Reiter der Paarbeziehung nennt. Diese Verhaltensweisen halten in der Regel in dieser Reihenfolge Einzug in Partnerschaften:

Der erste Reiter: Kritik

Gestritten wird in den meisten Beziehungen. Das ist auch nicht von Übel, im Gegenteil. Denn wer mit seiner Meinung hinterm Berg hält und seinen Partner nicht mit Unmut oder Ärger konfrontiert, riskiert einen emotionalen Schwelbrand, der meistens zum ungünstigsten Zeitpunkt entflammt. Emotionen wollen ausgedrückt werden: Deshalb ist es wichtig, über Ärger oder erlittene Verletzungen, die in jeder Beziehung vorkommen, zu sprechen. Nur dann können sie verarbeitet werden. Werden sie verschwiegen, füllen sie das sprichwörtliche Fass, das womöglich durch eine Nichtigkeit zum Überlaufen gebracht wird.

Streit tut also zunächst mal gut – solange er an der Sache oder einem konkreten Vorfall orientiert bleibt. Etwa bei: „Du wolltest das Auto tanken und hast es nicht gemacht. Es ärgert mich, dass ich es heute tun musste“ oder bei: „Du hast gestern die Kinder so lange Fernseh schauen lassen. Wir hatten ausgemacht, dass sie das nicht mehr sollen. Mir stinkt es, dass du dich nicht daran hältst!“

Im Gegensatz zu solchen „Beschwerden“ bezieht sich Kritik im Sinne von Gottman auf die ganze Person; sie hat sich also vom konkreten Vorfall gelöst. Am Beispiel: „Du hast das Auto schon wieder nicht getankt! Immer muss ich deine Sachen ausbügeln. Bin ich hier der einzige, der sich ums Funktionieren des Alltags kümmert?“ oder: „Immer lässt du die Kinder so lange fernsehen und schleimst dich als lieber Daddy bei ihnen ein. Und ich bin mal wieder die Dumme, die immer reglementiert.“

Kritik in diesem Sinn setzt also an der Persönlichkeit an, sie richtet sich ins Allgemeine und macht oft einer eher diffusen Unzufriedenheit Luft. Weil sie nicht mehr an konkreten Sachverhalten orientiert ist, trägt ein solcher Streit auch nicht dazu bei, lösbare Probleme zu lösen. Solche Streitereien sind nicht mehr produktiv.

Der zweite Reiter: Verachtung

Eines der obersten Gebote sollte Respekt sein, mit dem wir unserem Partner begegnen. Schließlich ist er freiwillig bei uns, niemand zwingt ihn dazu. Dennoch ist bei vielen Paaren eine nicht-wertschätzende Sprache eingezogen mit Spott, Zynismus und Sarkasmus. Hinzu kommen non-verbale Ausdrücke wie Augen rollen, hämisches Lachen oder abschätzige Bemerkungen. „Na, das war doch klar, dass du nicht in diese Parklücke reinkommst“ oder „Was, du mit dienen zwei linken Händen willst das Gartentor reparieren?“ sind Beispiele für Verachtung. Im Streit angewendet, zielt sie darauf ab, den Partner zu erniedrigen, ihn zu beschämen und sich selbst zu überhöhen.

Für Gottman ist Verachtung einer der gefährlichsten der vier Reiter. Ganz klar, denn nirgends sonst wird so klar die Abneigung gegen den Partner ausgedrückt. Deshalb sollten Paare auf der Hut sein: Verachtendes Verhalten beginnt schleichend und wird uns überall in der Gesellschaft vorgelebt. In Fernsehserien, vor allem in der Schule oder am Arbeitsplatz sind Beschämungen an der Tagesordnung. Solche Verhaltensweisen wirken wie Gift, das sich festsetzt als Muster der Interaktion. Umso wichtiger ist es, sich selbst zu reflektieren, seine Art mit anderen umzugehen oder zu sprechen, und nach entehrenden Verhaltens- und Ausdrucksweisen zu suchen.

Der dritte Reiter: Rechtfertigung

Viele beginnen sich zu rechtfertigen, wenn sie mit Kritik konfrontiert werden: „Ja, ich hatte so viel zu tun im Büro, da hatte ich keine Zeit mehr, zur Tankstelle zu fahren.“ Und wer deeskalieren will, wird auch auf Verachtung mit Rechtfertigung reagieren. Er wird beschwichtigen, wird versuchen, sein Gegenüber mit Argumenten zu überzeugen. Das Problem dabei: Wer in diesen Situationen sein Verhalten begründet, verliert. Er steigt auf das „Spiel“ des Partners ein – einem Spiel ohne echtem Sieger. Rechtfertigung führt nicht zur Deeskalation, im Gegenteil. Häufig befeuert ein solches Verhalten den anderen Partner in seiner Kritik oder in seinen verachtenden Äußerungen.

Ein weiteres Moment kommt hinzu. Rechtfertigung bedeutet nicht immer nur Beschwichtigung, sondern auch Beschuldigung, etwa: „Du verstehst einfach nicht, dass ich einen harten Tag im Büro habe, und dann soll ich auch noch den Wagen zur Tankstelle fahren!“

Der vierte Reiter: Mauern

Diese Verhaltensweise ist häufig bei Männern zu beobachten. Während eines Gesprächs signalisiert der Zuhörende in der Regel, dass er noch bei der Sache ist: Er nickt mit dem Kopf, lächelt, gibt Laute von sich oder ermuntert den Erzählenden. Anders beim Mauern: Der Zuhörende gibt nicht mehr zu erkennen, dass er noch im Kontakt ist mit dem Gesprächspartner. Womöglich schaut er auch zum Fenster hinaus, beginnt Zeitung zu lesen oder spielt auf dem Handy. Im äußersten Fall geht er wortlos aus der Situation. Solche Kontaktabbrüche sind tödlich für eine Beziehung.

Für den Zuhörenden ist sie manchmal jedoch die einzig mögliche Reaktion auf die ersten der drei Reiter. Und zwar dann, wenn sie einer Überflutung gleich kommen: Zu viel Kritik und zu viel Verachtung, die nicht mehr aufhört. So ist Mauern häufig eine Reaktion auf Feindseligkeiten. Und letztlich auch auf den Kontaktabbruch des Gegenübers: Denn wer überflutet, ist eben auch nicht mehr im Kontakt!

Was tun gegen diese Reiter?

Es ist nicht gesagt, dass Beziehungen, in denen sich diese Reiter breit gemacht haben, tatsächlich auseinandergehen. Doch die Wahrscheinlichkeit ist laut Gottman hoch.

Wichtig für Paare ist es, immer wieder darauf zu achten, wie sie miteinander umgehen. Wird beispielsweise häufig Kritik an der Persönlichkeit des Partners (der erste Reiter) geübt, sollte das Paar sich darüber austauschen. Es kann ein Warnsignal dafür sein, dass Bedürfnisse zu kurz kommen, dass zumindest einer der Partner unzufrieden ist. Das ist noch nicht das Ende der Beziehung, vielmehr ein Signal dafür, die Partnerschaft auf ein neues Fundament zu stellen.